Einen Text überarbeiten

Heute gibt es Input von mir zu einem umfangreichen Thema: Wie überarbeite ich einen Text? Dabei ist es erst einmal nicht relevant, ob es sich um Belletristik oder Sachbuch handelt. Beide Texte liegen erst einmal in einer Rohfassung vor und wollen bearbeitet werden. Gehen wir Schritt für Schritt vor:

1 – Überblick verschaffen

Wenn du zu den Bauchschreibern gehörst, erwartet dich nach Beendigung der Rohfassung eventuell ein ganz schönes Chaos. Wenn du nicht geradlinig von Anfang bis Ende geschrieben hast und im Buch gesprungen bist, stehst du möglicherweise vor einem Haufen Kapitel, denen die Struktur, der rote Faden fehlt. Aber auch als Plotter bist du vielleicht im Text gesprungen, hast mal hier geschrieben, mal dort. So entstehen Dopplungen, an anderer Stelle fehlt etwas.

Dann kannst du erst einmal hingehen und dir einen Überblick verschaffen, was du da eigentlich zu Papier gebracht hast. 😉 Heißt: In einem ersten Schritt wird gelesen. Dabei kannst du dir Notizen machen oder Kommentare anfügen, zum Beispiel, wenn du den Leser oder die Leserin am Anfang mit einem Infodump erschlägst oder dir Logikfehler auffallen, die du in der Überarbeitung ausbügeln musst. Ist der Spannungsbogen stimmig, auch in einer Nebenhandlung? Auch Hinweise für eine Nachrecherche kannst du in diesem Schritt vermerken. So geht nichts verloren, was dir beim Lesen ins Auge springt, es muss aber nicht sofort bearbeitet werden.

Denn: Hier liegt ein großes Risiko! Statt sich erst mal das Manuskript grundsätzlich anzuschauen, idealerweise nach einer Pause, fangen manche Autor:innen an, direkt drin zu arbeiten. Die „großen“ Probleme bekommen sie so aber nicht in den Griff, und die sollten zuerst angegangen werden – sonst erzeugt die Beseitigung des einen Logikfehlers womöglich einen neuen. Außerdem lässt die Motivation irgendwann nach, weil man arbeitet und arbeitet und das Gefühl hat, überhaupt nicht voranzukommen.

Ich habe einmal in einer Mischung aus Plotten und Bauchschreiben einen historischen Roman geschrieben, der allerdings noch in der Rohfassung in der Schublade schlummert. Als ich fertig war, habe ich mir einen Überblick verschafft, fehlende Szenen notiert, etwas nachgearbeitet; nun stünde eine Rechercherunde an. Da ich aktuell dafür keine Zeit habe, wird dieser Roman wohl noch eine Weile auf die Weiterbearbeitung warten müssen.

Ich muss ganz ehrlich zugeben: Mich hat das selbst angerichtete Chaos ziemlich gelähmt. Ich mag Unordnung grundsätzlich nicht gerne. Wenn es dir ähnlich geht, überlege dir vorab gut, auf welche Weise du dein Manuskript verfasst. Wenn es bereits geschrieben ist und du vor dem Chaos stehst, dann gehe es strategisch an: vom Großen ins Kleine. Fange nicht bei Kommafehlern an, wenn die Struktur des Textes insgesamt noch nicht stimmt. Eins nach dem anderen.

 2 – Vom Großen …

Womit wir beim zweiten Schritt wären. Zuerst werden die groben Sachen erledigt:

  • ggf. nachrecherchieren
  • Kapitel für Kapitel, Szene für Szene überarbeiten; fehlende Kapitel oder Szenen schreiben und an passender Stelle einfügen
  • Figuren ausarbeiten oder einfügen, die in der Rohfassung zu kurz gekommen sind
  • Dialoge prüfen
  • Beschreibungen einfügen, wenn du hier zu den Minimalisten gehörst
  • „Show, don’t tell“ beherzigen und erzählende Passagen so umwandeln, dass sie die Situation zeigen; hier auch auf stimmige Dialoge achten und ggf. einfügen.
  • Außerdem empfehle ich, noch einmal alle Kapitelenden zu prüfen und einen schönen Abschluss zu schreiben, sofern nicht vorhanden.

Unter Autor:innen könntest du jetzt auf eine:n Alphaleser:in zurückgreifen, die oder der diese immer noch ziemlich rohe Version lesen darf. Für Testleser ist sie in der Regel noch ungeeignet. Ein:e im Schreiben bewanderte Alphaleser:in wird dir hingegen wertvolles Feedback geben können. Dieses kannst du einarbeiten, bevor es an den nächsten Schritt geht. (Ganz Mutige können ihren Text auch schon nach Schritt 1 rausgeben, aber zumindest diese eine Überarbeitungsrunde würde ich dem Text doch gönnen.)

3 – … ins Kleine

Nun folgen diverse Überarbeitungsrunden, denen du jeweils ein Motto geben kannst, weil sie sich einem bestimmten Aspekt widmen:

  • Sprache prüfen, u.a. aktiv schreiben, Passivkonstruktionen vermeiden; Bandwurmsätze auflösen; Füllwörter jagen
  • Rechtsschreibung und Zeichensetzung prüfen
  • Formatierung prüfen
  • ggf. Inhaltsverzeichnis und tatsächliche Kapitelfolge prüfen
  • ggf. Fußnoten und Anhang prüfen

4 – Testleser

Nun kannst du deinen Text an Testleser geben, die am besten mit ihrer jeweiligen „Brille“ auf deinen Text schauen, mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten, Kenntnissen und Interessen und dir ein Feedback geben können, das über „Finde ich schön!“ hinausgeht. 😉 Du kannst ihnen vorab konkrete Fragen mitgeben, die ihnen helfen, sich darauf zu fokussieren, z. B. zu deinen Figuren und wie sie sich entwickeln. Dieses Feedback arbeitest du in einem weiteren Überarbeitungsschritt ein. Manches wird sich widersprechen und es ist an dir als Autor:in, eine Entscheidung zu treffen.

(Dieser Schritt ist auch parallel oder nach dem Lektorat möglich. Wäge für dich ab, wo für dich die Vor- und Nachteile liegen.) 

5 – Lektorat

Nun geht dein Text eventuell ins Lektorat. In ein oder zwei Runden wird dein Text bearbeitet. Ich arbeite immer in zwei Runden, wobei die Autorin / der Autor in einer Pause die Gelegenheit erhält, die Hinweise aus dem ersten Durchgang einzuarbeiten. Nach dem Inhaltslektorat folgt ein Stillektorat, in dem ich mir noch einmal jedes Wort ansehe. Auch danach folgt eine Überarbeitung durch den oder die Autor:in.

6 – Korrektorat

Nun sollte dein Text noch einmal abschließend auf Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung geprüft werden, denn Schludrigkeit in diesem Bereich verzeihen die wenigsten Leser:innen. Auch wenn niemals alle Fehler herausgefischt werden können, würde ich dem Text in jedem Fall ein weiteres Augenpaar wünschen, das drüberschaut.  Ob du deinen Text nun von jemandem aus deinem Umfeld gegenlesen lässt oder ihn in eine professionelles Korrektorat gibst: Auch danach folgt eine Überarbeitungsrunde durch dich.

Fazit

Mit einer einfachen Überarbeitung ist es nicht getan. Zehn bis fünfzehn Runden sind sicherlich keine Seltenheit, bis ein Manuskript final steht und in den Buchsatz gehen kann. Zu diesem Zeitpunkt sind kaum noch Änderungen möglich. Nimm dir die Zeit, deinen Text gut zu überarbeiten. Wenn du die Überarbeitung, die anfangs als überwältigende Aufgabe erscheinen mag, in kleine Schritte zerlegst, ist sie leichter zu bewältigen. Viel Spaß dabei!

Hast du Fragen oder Anmerkungen? Dann schreibe mir an kerstin@21ufos.de oder hinterlasse einen Kommentar.

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