Ein Text entsteht

Geschichten entstehen auf unterschiedliche Art und Weise: Manchmal werden sie in Auftrag gegeben und ein paar Wochen später geplant veröffentlicht; manchmal vergehen zwischen dem ersten getippten Wort und der Fertigstellung mehrere Jahre, und dann landet die Story in der Schublade. Dazwischen ist viel möglich. Ein paar Entstehungsmöglichkeiten möchte ich heute für dich beleuchten und Tipps für deine eigene Arbeit daraus ableiten.

Version 1: Schnell und geplant

Diese Art des Schreibens habe ich zuerst im Journalismus kennengelernt: Morgens war die Seite leer, abends musste sie voll sein. Der Andruck am Abend hing stets drohend über den Kolleg:innen und mir. Ob man in einem kreativen Loch steckte, war egal, denn die Artikel mussten getippt werden. Punkt.

Auch aus meiner Zeit als Heftroman-Autorin ist mir das Produzieren auf eine baldige Deadline hin bekannt. Manchmal vergingen nur wenige Wochen bis zum Druck. 100 Normseiten pro Heft hießen dabei 100 Normseiten, nicht 95 und auch nicht 105. Auf den Punkt schreiben, liefern wie nach Vorlage des Exposés abgesegnet – das war über mehrere Jahre hinweg mein täglich Brot.

Ein klein wenig Erfahrung konnte ich außerdem als Texterin im Bereich Werbung sammeln, habe aber schnell gemerkt, dass dieser Bereich nichts für mich ist. Doch auch hier: Deadline, schnelle Lieferung. Zack!

Pro: Der klare Vorteil liegt für mich in der Textproduktion. Der Text muss fertig werden, und in der Regel wird er das dann auch. Strebst du einen hohen Output an, möchtest schnell viel produzieren, sind feste Deadlines dabei gute Hilfen. Als Selfpublisher:in hast du keine Deadlines? Doch, wenn nämlich ein Dienstleister auf deinen Text wartet, dich eingeplant hat, und danach der nächste usw. Das kann positiven Druck erzeugen, fertig zu werden.

Kontra: Der Druck kann auch ins Negative ausschlagen, deine Motivation unterwandern oder zu einer ausgewachsenen Blockade führen. Außerdem kann der hohe Output zu einer Erschöpfung führen. Warnsignale solltest du früh wahrnehmen und gegensteuern. Ich bin damals über meine Grenzen gegangen. Heute wüsste ich, was zu tun ist, aber das sind Erfahrungswerte, die man nur mit der Zeit gewinnen kann.

Tipp: Wenn du dir unsicher bist, wie du mit Deadlines klarkommst, probiere es erst mal mit einer Ausschreibung für eine Anthologie. Eine Kurzgeschichte ist erstens schnell geschrieben, zweitens wartet keiner auf deinen Text bzw. du gerätst nicht in Verzug. Beobachte dich: Wie reagierst du auf die Deadline? Beflügelt sie dich? Oder bremst sie dich aus?

Version 2: Strukturiert ohne Termin

Natürlich musst du dir keine Deadline setzen. Sei es ein langer Text wie ein Roman oder ein kurzer wie eine Erzählung: Wenn er nicht geschrieben wird, kann er nicht veröffentlicht werden. Auch ohne Deadline kannst du deinem kreativen Arbeiten eine Struktur verleihen, indem du zum Beispiel die einzelnen Arbeitsschritte durchplanst, z.B. Phasen für die Recherche, das Plotten, Schreiben und Überarbeiten einplanst und dir beispielsweise Wochen dafür blockst. Du hast keinen Abgabetermin mit einem externen Dienstleister, weißt aber so ungefähr, wann du was erledigt haben möchtest, um fertig zu werden. 

Pro: Du bist frei! Keine:r wartet auf dich, setzt dich mit einer Deadline unter Druck. Dein kreatives Arbeiten wird nicht von außen gelenkt, sondern du bestimmst über die Abläufe.

Kontra: Die Zusammenarbeit mit Dienstleistern wird sich erfahrungsgemäß strecken, weil du beispielsweise keine:n Lektor:in findest, wenn dein Text fertig ist. Dann wirst du warten müssen, bis jemand einen freien Slot für dich hat. Wenn du mit einer bestimmten Lektorin, einem bestimmten Lektor zusammenarbeiten möchtest, empfehle ich dieses Vorgehen nicht, denn die Vorlaufzeit beträgt meist mehrere Monate. Das gleiche gilt für Korrektor:innen und Buchsetzer:innen.

Tipp: Meiner Erfahrung nach kann man mit dieser Methode ins Bummeln geraten, weil keine Termine ausgemacht sind. Ist mir selbst auch schon passiert. Das Risiko, dass dein Text niemals fertig wird und du dein Projekt abbrichst, ist außerdem hoch. Probiere auch hier mit einem kurzen Text aus, wie die Abläufe sind, und ob du mit deinem Tempo zufrieden bist. Falls ja, versuche dich an einem längeren Projekt.

Version 3: Aus dem Bauch in den Kalender

Eine weitere Möglichkeit, einen Text entstehen zu lassen, ist folgende: Du schreibst ohne Plan, aus dem Bauch heraus, hast aber einen Termin im Kalender stehen, bis wann du fertig sein möchtest.

Bist du ein Plotter, also jemand, der seine Texte vor dem Schreiben gerne intensiv entwickelt, wird dir dieser Ansatz vermutlich nicht zusagen. Für ein kurzes Projekt könntest du es trotzdem mal ausprobieren, einfach, um diese Art des Schreibens auch mal kennengelernt zu haben.

Bist du ein Bauchschreiber, der seine Geschichte während des Schreibens entwickelt, hat der Ansatz den Vorteil, dass du fertig werden musst. Der Termin steht. Trödelei, das Verfolgen unergiebiger Handlungsstränge, das Starren aufs weiße Blatt – nicht möglich!

Pro: Das Risiko, dass du dein Projekt irgendwann abbrichst oder auf Seite 1200 landest, ohne dass das Ende in Sicht ist, wird hier minimiert. Der Termin begrenzt dich automatisch und fokussiert dich.

Kontra: Das, was Bauchschreiber oft besonders schätzen, nämlich die kreative Freiheit, wird hier eingeschränkt. Du bist nicht vollkommen frei in deinen Entscheidungen, weder inhaltlich noch zeitlich.

Tipp: Natürlich gibt es auch Bauchschreiber, die routinemäßig ihre Projekte beenden, auch ohne Termine. Meiner Erfahrung nach sind die Risiken aber hoch und lassen sich durch fixe Termine minimieren. Wenn du sichergehen möchtest, dass du trotz Bauchschreiberei deinen Termin hältst, schreibe nicht nur eine persönliche Deadline in den Kalender, sondern vereinbare einen Abgabetermin mit einem Dienstleister. Alternativ kannst du deine Deadline nach außen kommunizieren. Auch das kann einen positiven Druck erzeugen.

Version 4: Ganz ohne Plan

Die letzte Möglichkeit beinhaltet vermutlich den größten Teil an persönlicher Freiheit im Prozess. Du plottest oder bauchschreibst oder mixt beides, wie du lustig bist, planst nichts und veröffentlichst irgendwann oder auch nicht, arbeitest vielleicht an mehreren Projekten gleichzeitig, lebst dich kreativ vollkommen aus.

Spricht dich an? #ifeelyou Auch ich hatte nach langer Zeit des völlig getakteten Schreibens das dringende Bedürfnis, vollkommen frei an meinen Geschichten arbeiten zu können. Ist das nicht echte, unverfälschte Schriftstellerei?

Dachte ich lange – und wurde eines Besseren belehrt. Bei mir führte dieser Ansatz nämlich dazu, dass meine Projekte nicht mehr fertig wurden und in unterschiedlichen Entwicklungsstadien in der Schublade landeten. So sind meine 21ufos entstanden, meine 21 unfertigen Objekte. Immerhin profitierst du davon, denn sonst gäbe es 21ufos.de nicht. 😉

Trotzdem: Wenn ich vorher gewusst hätte, welche Durststrecke mich erwartet, hätte ich diesen Weg nicht gewählt, denn ich habe zwar geschrieben, aber nicht mehr veröffentlicht, und das über etliche Jahre hinweg. Der Schritt ins Selfpublishing und die Gründung von 21ufos.de waren meine Befreiungsschläge aus dieser Krise. Daher: 

Pro: maximale kreative Freiheit

Kontra: maximale kreative Freiheit 😉

Tipp: Probiere es ruhig aus, wenn dein Herz dich hinzieht. Begrenze diese Phase aber zeitlich, damit es dir nicht ergeht wie mir und du hängenbleibst. Stecke dir vorher einen festen zeitlichen Rahmen von einigen Wochen, Monaten oder auch einem Jahr. In diesem Zeitraum probierst du es aus. Wenn es nicht funktioniert, ziehe früher als ich die Reißleine und komme über andere Ansätze in die Fertigstellung und dann auch die Veröffentlichung.

Fazit

Dies war ein kleiner, nicht abschließender Überblick über unterschiedliche Herangehensweisen. Dabei ist kein Weg besser oder schlechter als der andere. Er passt einfach im Idealfall genau zu dir und deinen Projekten. Ich kann nur empfehlen, verschiedene Wege auszuprobieren. Manchmal zapft man dadurch kreatives Potential an, mit dem man gar nicht gerechnet hatte. Dabei darfst du auch ruhig mal deine Komfortzone verlassen. Mit der Zeit lernst du dich immer besser kennen und weißt, was funktioniert und was nicht.

Welcher Prozess spricht dich an? Konntest du dich wiederfinden? Schreib mir gerne an kerstin@21ufos.de oder hinterlasse unten einen Kommentar.

Holl di munter

deine Kerstin

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