Ein Kapitel beenden

Nein, im heutigen Blogpost geht es nicht darum, einen Lebensabschnitt zu beenden, die Türen zu schließen und von dannen zu ziehen. Wir wollen heute nichts hinter uns lassen, sondern etwas so gut wie möglich abschließen: ein Kapitel im Roman.

Ich teile dabei sowohl meine persönlichen Erfahrungen mit dir als auch solche, die ich beim Lektorieren gewonnen habe. Denn dies ist eine Sache, die mir immer mal wieder begegnet: Ein Kapitel ist wunderbar geschrieben, doch am Ende fehlt ein schöner Ausklang, ein Abschluss oder eine Überleitung zum nächsten Kapitel. Der oder die Leser:in „hängt in der Luft“. Das ist nicht schlimm, denn dafür ist das Lektorat ja da. 😉 Du kannst aber auch selbst aktiv werden und während des Schreibprozesses oder der Überarbeitung auf die Enden der Kapitel achten.

Was macht eigentlich ein gutes Kapitelende aus?

Ein Buch ist nicht nur insgesamt in Anfang, Mitte und Schluss unterteilt, sondern auch jedes Kapitel und sogar jede Szene. Wir steigen ein, etwas passiert, wir steigen aus. Damit der Ausstieg gelingt, kannst du den Spannungsbogen, der im Laufe der Geschichte ansteigt und am Ende wieder unten ankommt, auch auf ein Kapitel übertragen – fast! Denn: Wenn du wieder ganz unten ankommst, steigert sich die Spannung im Laufe des Buches nicht. Sie sollte ein wenig gehalten werden, vergleichbar einer Sportübung, bei der du auch nicht ganz loslässt.

Gleichzeitig darf die Spannung auch nicht zu stark gehalten werden, denn deine Leser:innen müssen erst wieder runterkommen können, bevor sie wieder abheben dürfen. Es ist ein Rhythmus aus sich steigernder Anspannung und (nicht totaler) Entspannung – sonst bewegen sie sich irgendwann auf einem Level, der keine Steigerung mehr erlaubt, und spannungsvolle Atemlosigkeit wird durch Schnappatmung abgelöst. Das wollen wir nicht.

Tipp: Stelle dir deine gesamte Geschichte wie eine Wellenbewegung vor, wobei die Welle sich immer weiter auftürmt, bis sie bricht – und dann sanft am Strand ausläuft.

Wer plant, ist im Vorteil

Das ist ein bisschen tricky, benötigt Fingerspitzengefühl – und ja, auch Übung! Die Plotter sind hier meiner Meinung nach im Vorteil, da sie bereits vor dem eigentlichen Schreiben alle Szenen- und Kapitelenden prüfen und auf diese Punkte hin kontrollieren können: Habe ich einen guten Abschluss, eine gute Auflösung gefunden? Wird die Spannung gehalten? Aber nicht zu stark? Animiert das Kapitelende zum Umblättern und Weiterlesen? Sowohl Plotter als auch Bauchschreiber können sich die Kapitelenden während eines Überarbeitungsgangs noch mal vorknöpfen und auf diese Fragen hin abklopfen. (Da ich Plotter bin, bin ich aber vielleicht voreingenommen. 😉 Du hast auch als Bauchschreiber deine Kapitelenden gut im Blick? Hinterlasse gerne einen Kommentar bezüglich deiner Erfahrungen.)

Wenn du oder dein:e Lektor:in dann feststellt, dass mit einem Kapitelende tatsächlich etwas nicht stimmt, erfordert die Änderung oft kein Umschreiben ganzer Absätze. Meiner Erfahrung nach reichen oft zwei bis drei Sätze, um deine Leser:innen positiv aus dem Kapitel zu verabschieden. „Und jetzt?“, ist zum Beispiel eine Frage, die ich dann an den Rand schreibe. Manchmal muss sich nur noch jemand verabschieden und gehen. Welche Bedeutung hat das gesamte Kapitel für die Geschichte? Die Schlussfolgerung eignet sich auch als Abschluss, ebenso eine Frage oder ein Hinweis auf die Entwicklung des Charakters in diesem Kapitel. (Achtung! Hier nicht Ausschweifen und ins Erzählen geraten.)

Auch ein Cliffhanger ist möglich. Dies hängt von deiner Geschichte, deinem Plot ab und ob solche Cliffhanger zu deine Story passen. Dies ist nicht immer der Fall. Es kann gewollt wirken, auch mögen nicht alle Leser:innen diese Form der Spannungserzeugung. Es hängt dann von deiner Zielgruppe an. Und außerdem hilft hier wie so oft: ausprobieren! (Und sich selbst kennen: Ich habe eine Tendenz, Kapitel mit  Auslassungspunkten zu beenden … Auch das sollte man nicht überstrapazieren, hihi. 😉 )

Wie sieht das konkret aus?

Zum Abschluss ein paar Beispiele, um das Ganze zu illustrieren, und zwar aus meinem Liebesroman „Tasche mit Herz“, den es in Kürze wieder als E-Book geben wird.

Beispiel: jemand geht, Frage

Ich hole tief Luft, drehe mich wortlos um und marschiere zurück, verfolgt vom Klatschen und den Anfeuerungsrufen meiner Freundinnen. Wie alt sind wir eigentlich?

Beispiel: Figur wendet sich vom Gespräch ab und wieder sich selbst zu

Doch weiter komme ich nicht mit meinen Gedanken, denn da kommt der Kellner mit meiner Paella, und wenn Essen auf dem Tisch steht, dann gibt es für mich nichts anderes. Mit Hingabe wende ich mich der Köstlichkeit zu, die tatsächlich genauso schmeckt wie zwanzig Jahre zuvor, und vergesse die Begegnung mit der Vergangenheit.

Beispiel: Äußeres zeigt den Abschluss, das Ende an; hier: Sonnenuntergang

Heike knufft mich in die Seite, dann sehen wir zu, wie auch der letzte Rest Tageslicht im Wasser versinkt.

Beispiel: Cliffhanger, wird im nächsten Kapitel aufgelöst, verleitet zum Weiterblättern

„Aber das mit dieser Frau“, sagt sie und räuspert sich, „das musst du mir noch mal erklären.“
„Oh Gott.“ Ich verziehe gequält das Gesicht. „Du hast echt alles mitbekommen, oder?“

Hast du Fragen oder Anregungen? Dann schreibe mir an kerstin@21ufos.de eine E-Mail.

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