Offene Enden? 5 Tipps

Kürzlich war ich mit meinem Mann im Kino, der erste Besuch dort seit vielen Jahren. Wir haben uns den Film „Indiana Jones“ angesehen, der uns beiden gut gefallen hat. Es war eine Zeitreise, richtiges Popcorn-Kino. Aber: Hinterher saßen wir im Auto und haben darüber diskutiert, ob denn alle offenen Enden aufgelöst wurden. Dabei ist mir noch einmal bewusst geworden, wie wichtig es ist, jeden Handlungsstrang, der in einer Geschichte aufgenommen wird, am Ende auch aufzulösen. Das gilt nicht nur für den Film, sondern auch für unser Metier, das Schreiben. (Und natürlich steckt hinter jedem Film ein Drehbuch und damit auch das Schreiben. Ich habe selbst auch ein Drehbuch verfasst.)

Vielleicht fällt dir ein Film oder ein Buch ein, bei dem du das Gefühl hattest, dass Handlungsstränge aufgenommen wurden, die dich am Ende ratlos zurückgelassen haben; bei denen vielleicht nicht klar wurde, wie es nun ausgeht. Das kann gewollt sein – als klassisches „offenes Ende“, bei dem der Leserin bewusst überlassen wird, die Geschichte zu Ende zu denken – im Gegensatz zum glücklichen oder tragischen Ende.

Manchmal ist es aber offensichtlich ein „Unfall“, wenn ein Handlungsstrang nicht beendet wurde. Nicht nur in den Genres Krimi und Thriller ist das wichtig, sondern auch im Liebesroman und allen anderen Genres. Heute gibt es daher 5 Tipps von mir für dich, damit dir solche Unfälle erspart bleiben. (Auf das Herausfischen solcher Unfälle achte ich während eines Lektorats übrigens besonders. 😉 )

Tipp 1: Zeitleiste anlegen

Wenn du eine komplexe Geschichte hast, bei der man zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringt oder in der sehr viele Details verarbeitet sind, die sich aufeinander beziehen, kann es sinnvoll sein, eine Zeitleiste zu haben. Dann stehst du schon nicht mehr unter dem Druck, während des Schreibprozesses immer darauf achten zu müssen, ob du auch alle Details bedacht hast.

Wenn du zu den Plottern gehörst, ist es einfacher: Du kannst planen, kannst dir in einer Datei, auf Karteikarten oder wo auch immer notieren, was wann wo wie passiert und welche Szene sich aufeinander beziehen.

Wenn du zu den Bauchschreibern gehörst, ist es schwieriger, weil du anfangs noch nicht genau weißt, wie die Geschichte sich entwickelt. Mein Tipp: Mache es hinterher. Sieh dir deine Geschichte noch einmal genau an, mache dir notfalls eine Zeitleiste, um zu schauen, ob alle zeitlichen Abläufe logisch sind und ob innerhalb dieser Abläufe alle Handlungsstränge abgearbeitet wurden.

Tipp 2: Testleser briefen

Wenn du mehrere Testleser hast, stelle mindestens einen darauf ab, sich die Handlungsstränge anzuschauen. Wurden sie zu Ende geführt? Ein Testleser kann nicht auf alles achten und ist auch kein Lektor oder Korrektor. Sinnvollerweise gibst du ihm oder ihr eine Aufgabe. Das könnte in diesem Fall sein: „Schau dir die Enden an. Habe ich an alles gedacht?“

Tipp 3: Die Nebenhandlung ist wichtig

Die Nebenhandlung ist in puncto „Enden“ genauso wichtig wie die Haupthandlung. Wenn du ein Plotter bist, verwende einen guten Teil deiner Energie darauf, sie sauber zu Ende zu führen. Wenn du ein Bauchschreiber bist, sieh sie dir hinterher noch mal an. Gerade bei den Nebenhandlungen fällt mir oft ein Hang zum Ausfasern und Vergessen auf. Deiner Leserin wird das in vielen Fällen ebenfalls auffallen, sie aus der Geschichte hinauskatapultieren oder mindestens einen faden Beigeschmack hinterlassen. Daher: Nimm die Struktur der Nebenhandlung ernst. Sie verfolgt ebenfalls einen Spannungsbogen mit Anfang, Mitte und Schluss – und der Schluss darf natürlich nicht fehlen.

Tipp 4: Vorsicht beim Löschen

Es kann sein, dass du während der Überarbeitung Teile aus deinem Manuskript löschst, weil du glaubst, sie nicht zu brauchen. Mein Tipp ist, sie in einer separaten Datei zu speichern oder wenigstens Notizen zu machen beziehungsweise Kommentare anzulegen. Es kann sein, dass sich andere Teile deines Manuskripts auf diese Passagen beziehen und es dadurch zu Logikbrüchen oder eben offenen Enden kommt. Prüfe am Ende der Überarbeitung noch mal diese falschen Bezüge.

Tipp 5: Nimm deine Lektorin ernst

„Guck dir das hier noch mal an“, sagt deine Lektorin vielleicht. „Hier ist die Geschichte / der Handlungsstrang nicht zu Ende geführt.“

Da ist vermutlich was dran. 😉 Natürlich kannst du dir den Text selbst noch mal anschauen und dich bei einem Testleser rückversichern. Es bleibt auch immer dir selbst überlassen, ob du das, was dir die Lektorin ans Herz legt, übernimmst oder nicht. Aber: Sie hat ein Gespür dafür. Sie ist wie ein Trüffelschwein auf der Suche nach genau solchen Sachen. Daher: Nimm es so ernst wie Hinweise auf die sprachliche Gestaltung oder die Figurenentwicklung. Deine Leserin wird es dir danken, denn zu einem runden Leseerlebnis gehört es auch, nicht mit Fragezeichen im Kopf aus dem Buch auszusteigen.

Fazit

Mir hat es Spaß gemacht, gemeinsam mit meinem Mann den Film noch einmal Revue passieren zu lassen und zu gucken, ob das denn auch alles so logisch und zu erklären war, und mit ein bisschen drehen und denken haben wir es auch hinbekommen.

Aber das ist eben sehr wichtig, darauf muss es hinauslaufen, dass die Fragezeichen im Kopf deines Lesers oder deiner Leserin höchstens die eigene Entwicklung betreffen, die dein Buch in ihr ausgelöst hat, und nicht dein Plot, nicht deine offenen Enden.

Bei Fragen schreib mir gerne an kerstin@21ufos.de

Holl di munter

deine Kerstin 

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