Konzentriert schreiben und was Murmeltiere damit zu tun haben

Kürzlich hörte ich ein für mich sehr spannendes Buch, das mir einige erhellende Momente bescherte: „Deep Work“ von Cal Newport. Er befasst sich hierin mit den Umständen, die eine von tiefer  Konzentration geprägte Arbeitsweise begünstigen – oder hemmen. Der Untertitel der deutschen Ausgabe lautet bezeichnenderweise: „Regeln für eine Welt voller Ablenkungen“. Heute möchte ich meine Learnings mit dir teilen und sie auf unser gemeinsames Anliegen – das Schreiben von Texten – übertragen.

Nur noch ein Video …

Vorgestern dachte ich darüber nach, YouTube von meinem Handy zu löschen, weil ich geschlagene zwanzig Minuten lang einem Murmeltier dabei zugesehen hatte, wie es Möhren fraß. Ich habe diese Zeit als ungemein entspannend erlebt – immerhin. Allerdings hat dieses Video meine übliche Zubettgehzeit nach hinten verlagert, was einerseits meine Routinen stört und mich andererseits dringend benötigten Schlaf kostet, denn der Wecker klingelt so oder so um 5 Uhr.

Ich ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich mehr Zeit mit solchen Dingen „verschwende“, als ich mir vorgenommen habe. Damit will ich nicht sagen, dass der Konsum lustiger, lehrreicher oder ermutigender Videos überflüssig ist. Im Gegenteil: Ich lerne Spannendes aus aller Welt und bekomme Anregungen, die mir sonst verwehrt geblieben wären. Mich stört allerdings der „Suchtfaktor“, den diese Videos auf mich ausüben. Insofern kenne auch ich diese „Welt voller Ablenkungen“, denn die Videos lenken mich bisweilen von dem ab, was eigentlich anstünde, in dem Fall: schlafen.

Versenkung ade

Parallel erkannte ich, dass es mir auf Grund familiärer und beruflicher Umstände immer schwerer fiel, den Zustand der Versenkung zu erreichen, den konzentriertes Arbeiten erfordert. Darin bin ich normalerweise recht gut, habe diese Versenkung von klein auf genossen und sie so trainiert, dass sie zu einem Magisterabschluss mit der Note 1,0 und zahlreichen Veröffentlichungen geführt hat. Das dürfte beweisen, dass ich grundsätzlich in der Lage bin, mich gut zu konzentrieren und entsprechende Resultate zu erzielen.

Jetzt kommt das Aber: Ich musste immer mehr Energie dafür aufwenden. Wir alle kennen die Ablenkungen des Alltags, die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Du wirst vermutlich selbst rasch eine Liste an Dingen und Umständen erstellen können, die dich von dem abhalten, was dein Ziel ist, in unserem Fall: ein Buch schreiben. Damit fallen diese ablenkenden Umstände in die Kategorie „Schreibflow-Verhinderer“.

Die Sache mit dem Flow

Der Schreibflow ist der Zustand, der Autor:innen eine befriedigende und produktive Zeit verschafft. Wenn du im Flow bist, fließen die Wörter nur so aus dir heraus. Du konzentrierst dich auf deine Geschichte oder fachlichen Sachverhalte, bist ganz beim Thema und nimmst nichts anderes wahr. Es geht rasch voran und du musst nicht um jedes Wort ringen, was dich wiederum optimistisch an die nächste Schreibsession denken lässt.

Doch auch andere – bisweilen ungeliebte – Aufgaben rund ums Schreiben und Veröffentlichen kannst du in einem Flow erledigen, zum Beispiel mehrere Posts für Instagram vorbereiten, die Buchhaltung und andere organisatorische Tasks erledigen, einen Newsletter oder die nächsten vier Blogartikel schreiben und terminieren.

Marketing ist etwas, was viele Autor:innen gerne vor sich herschieben. Meiner Erfahrung nach wird es leichter, wenn sich Erfolgserlebnisse einstellen. Und nein, damit meine ich keine Buchverkäufe, sondern das Gefühl, das sich einstellt, wenn man die Aufgabe in einem Rutsch – im Flow – zu Ende gebracht hat.

Mindset und so

Ein Beispiel: Im Februar ist mein Vertrag mit einem Distributor für mein Drehbuch „Ertrinkende Pflanzen auf Leinwand“ ausgelaufen. In der Konsequenz war das Buch seitdem nicht mehr am Markt erhältlich, zumindest als E-Book. (Print liegt hier und da und bei mir noch auf Lager.) Ich hätte den Umzug zu einem anderen Distributor bereits im Vorfeld anleiern oder aber zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der vergangenen Monate erledigen müssen. Habe ich aber nicht. Warum? Weil ich den komplexen und zeitaufwändigen Vorgang scheute.

Vor allen den Satz des E-Books schob ich vor mir her, vermutlich deshalb, weil der Satz von „Tasche mit Herz“ so nervenraubend war und sich über Wochen hinzog. Mir lag nur eine PDF-Datei vor und ich musste händisch alle Absätze durchgehen. Und da ich den Text sowieso vor mir hatte, wollte ich ihn noch einmal komplett überarbeiten. Jetzt bin ich happy damit und habe den überarbeiteten Text für den Print-Buchsatz wieder an die Agentur Autorenträume gegeben.

Diese E-Book-Erfahrung hemmte jedoch meine Motivation, das nächste  Buch umzuziehen. Dabei war klar, dass ich inhaltlich nichts ändern müsste. Glücklicherweise lag mir auch eine freundlicheres Dateiformat vor, und als ich schließlich eines Abends die Energie fand, mich an den Satz zu machen, war die ganze Angelegenheit inklusive Upload und Veröffentlichung innerhalb von 75 Minuten erledigt.

Verrückt, oder? Wovor hatte ich mich wochenlang gefürchtet? Ich war wieder happy, und nicht nur das: Ich hatte einen Flow erlebt. Hochkonzentriert hatte ich mich dieser Aufgabe gewidmet, nachdem unsere jüngste Tochter ins Bett gegangen war, und hatte durchgezogen, obwohl ich platt von Arbeit, Haushalt und Familienzeit war. Doch nun war ich im positiven Sinne erschöpft, euphorisch und habe die erneute Veröffentlichung sogar spontan ein wenig mit meinem Mann gefeiert.

So geht Flow.

Was verhindert den Flow?

An meinem kleinen Beispiel siehst du zweierlei: Dass äußere Umstände UND das Denken den Flow-Zustand verhindern können, dass es aber unglaublich befriedigend ist, wenn der Zustand dann doch endlich eintritt.

Wenn es dir so geht wie mir, dann scheitert der Flow oft an unzusammenhängenden Zeitblöcken, die es erfordern, sich immer wieder aufs Neue in die Aufgabe eindenken zu müssen. Hereinprasselnde Anliegen anderer Menschen, das Aufbringen enormer Willenskraft bei nervigen Sachen – ich sage nur: Verpackungsregisterjahresendmeldung, hihi – und die Verlockungen moderner Medien tun ihr Übriges. (Gegen das Grundbedürfnis, die Wäsche erledigen oder das Bad noch grad putzen zu müssen, habe ich jahrelang angekämpft und widerstehe hier mittlerweile erfolgreich. Der Haushalt wird erledigt, wenn er dran ist, und das ist nicht während meiner Arbeits- oder Schreibzeit. Aber ich kann nachvollziehen, wenn das für dich noch schwierig ist.)

Mein Tipp: Identifiziere deine Flow-Verhinderer, ob nun aufs Schreiben oder andere Tasks bezogen. Und dann prüfe, was du unternehmen kannst, damit sie in Zukunft nicht mehr dazwischenfunken.

In meinem Fall ist das Löschen von YouTube keine Option, da ich mich über die Plattform über das Weltgeschehen informiere – also die Nachrichten unterschiedlicher Sender und Nachrichtenagenturen anschaue – und mich zu unterschiedlichen Themen weiterbilde. Allerdings habe ich ein festes Zeitfenster für „Daddelei“ eingeführt – und die Shorts meide ich komplett, da sie eine geradezu hypnotisierende Wirkung auf mich haben und ich eins nach dem anderen schauen kann, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Dann lieber 20 Minuten geplant „Murmeltier beim fressen“ gucken und dabei bewusst entspannen. 🙂

Und dann schaffe ganz bewusst zusammenhängende Phasen konzentrierten Arbeitens. „Deep Work“ geht detailliert auf das Thema ein und ich kann es hier in der Kürze nicht wiedergeben, weshalb ich dir die Lektüre wärmstens empfehlen möchte. Durch Phasen konzentrierten Arbeitens wirst du aber sehen, dass sich mit der Zeit immer mehr Inseln der Ruhe ergeben werden und es mit deinem Buchprojekt oder anderen anstehenden Aufgaben endlich vorangeht – wo wie bei mir mit dem Drehbuch.

Du hast Fragen oder Anregungen? Dann schreibe mir an kerstin@21ufos.de

Literaturhinweis:

Cal Newport, „Deep Work“ (erschienen bei Redline unter dem Titel „Konzentriert arbeiten. Regeln für eine Welt voller Ablenkungen“ – auch als Hörbuch)

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